Differenzstromanalyse nach neuestem Stand der Technik
Der sichere Betrieb eines Rechenzentums wird neben der Redundanz auch durch definierte Wartungsintervalle garantiert. Regelmäßige Wartungen bilden einerseits die Voraussetzung für die Langlebigkeit der Komponenten bzw. Systeme und stellen andererseits auch einen enormen Kostenfaktor dar. Hier kristallisieren sich am Markt neue Konzepte heraus – dabei orientiert sich die IT-Branche an den Trends der Automobilindustrie.
Führende Automobilhersteller verzichten bereits seit Jahren auf feste Wartungsintervalle, sondern ermitteln über Sensoren den exakten Zustand von Brems- oder Kupplungsbelägen. Über das Fahrzeuginformationssystem erhält der Fahrzeugführer frühzeitig eine Information darüber, dass sein Fahrzeug gewartet bzw. verschlissene Fahrzeugteile erneuert werden müssen. Außerdem wurden zwischenzeitlich neutrale Werkstätten dazu autorisiert, Wartungen an Fahrzeugen durchzuführen. Daraus ergeben sich Kosten- und Zeiteinsparungen für den Kunden. Warum also nicht nach dem gleichen Prinzip im Rechenzentrum verfahren?
Die Schaltnetzteile moderner IT-Komponenten (Server, Switche, Router, etc.) generieren funktionsbedingte Ableitströme, welche sich in großen Rechenzentren auf dem PE-Leiter (Protective Earth – Schutzleiter – grün/gelb) auf mehrere Ampere [A] aufsummieren. Derartige Ableitströme können in TN-S Netzen am zentralen Erdungspunkt messtechnisch nachgewiesen werden.
Dies stellt in erster Linie eine Gefahr für Leib und Leben dar, da der PE-Leiter eigentlich eine Schutzfunktion (Grundschutz) innehat. Daher sollten die Verantwortlichen (VEFK: Verantwortliche Elektrofachkraft) auf das Monitoring dieser Ableitströme achten.
Die permanente Überwachung dieser Ableitströme versetzt die VEFK jederzeit in die Situation, den elektrotechnischen Zustand des Rechenzentrums richtig einzuschätzen, Abweichungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Vorteilhaft ist darüber hinaus, dass die Messprotokolle einer elektrischen Wiederholungsprüfung nach DGUV V3 als Nachweis für den ordnungsgemäßen Zustand der Anlage herangezogen werden können. Dadurch kann auf die Isolationsmessung und somit auf ein Abschalten verzichtet werden. Aber welche Elektrofachkraft (VEFK oder EFK) sieht sich technisch dazu in der Lage, Ableitströme von fehlerhaften Differenzströmen mit potentieller Ausfall-Gefahr für das Rechenzentrum zu unterscheiden?
Ableitströme durch Netzteile sind in der Regel pulsierende Ströme, wohingegen Fehlerströme durch Bauteileverschleiß als klassische Gleichfehlerströme in Erscheinung treten. Sind diese Gleichfehlerströme größer als 6mA, werden sie nur durch RCM-Sensoren Typ B (RCM: Residual Current Monitoring) erkannt. Aber wer trifft die Entscheidung zwischen „normal“ oder „gefährlich“?
Um Differenzströme richtig einzuordnen und sichere Aussagen zu treffen, bedarf es einer langjährigen Erfahrung, über die nur wenige Fachleute verfügen. Diese Erfahrungen beziehen sich sowohl auf grundlegende elektrotechnische Applikationen als auch auf messtechnische Besonderheiten in Anlagen mit hohen Ableitströmen. Beides kann in einem einmaligen Lösungsansatz kombiniert werden: Die Messdaten der RCM-Sensoren eines Rechenzentrums werden an eine BSI-zertifizierte Cloud-Anwendung übertragen und dort mit einer Datensammlung (Big Data) von vielen Strom-Analysen in anderen Rechenzentren verglichen. Auf diese Art und Weise können die Messwerte der Ableit-/Differenzströme ausgewertet und von erfahrenen Messtechnikern richtig interpretiert werden. Hier sind Parallelen zur verbrauchsorientierten Wartung in der Fahrzeugindustrie erkennbar.
Dem Betreiber als auch den IT-Administratoren bieten sich zwei weitere Vorteile: Die Cloud-Applikation sendet dem Betreiber bzw. User tages- oder wochenaktuelle Reports per E-Mail zu, welche auf mögliche oder potenzielle Gefahren hinweisen. Die Messdaten werden aber nicht nur BSI-zertifiziert verarbeitet, sondern auch dauerhaft und fälschungssicher gespeichert. Die daraus resultieren Messprotokolle können letztendlich auch als Nachweis für das sichere Isolationsniveau der gesamten Anlage genutzt werden und dienen als Ersatz für die Isolationsmessung bei einer Wiederholungsprüfung nach DGUV V3. Dieses Mess- und Auswerteverfahren wird von der Berufsgenossenschaft als auch von den Versicherungen in Deutschland anerkannt.
Autor: Tilo Püschel, © Bachmann GmbH 2018
Suchen Sie nach Lösungen für modernes Energiemanagement im Rechenzentrum? Werfen Sie einen Blick auf unsere BlueNet Serie - intelligente PDUs zum Schalten und Messen.
Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern!